Skizze/Eine lustige Geschichte/Novellette von Paul Bliß
in: „New Ulm Post” vom 13.01.1922,
in: „Dresdner neueste Nachrichten” vom 31.07.1921,
in: „Dresdner neueste Nachrichten” vom 31.12.1922,
in: „Karlsruher Tagblatt” vom 13.01.1912
Zur rechten Zeit.Skizze von Paul Bliß Lächelnd trat der Gast ein. „Guten Tag, Brenkendorff!” rief er dem Freund zu und streckte ihm beide Hände hin. „Ah, ah! Mein lieber alter Salten! Na, das ist aber eine wirkliche Ueberraschung! Komm näher, mein Kerlchen! Na, wie geht's denn? Du siehst ja förmlich strahlend aus!” „ Und Du nicht minder. Donnerwetter, Du bist ja in großer Toilette! Da störe ich wohl, was?” Brenkendorff lächelte befriedigt. „Du störst nicht, lieber Freund, Du kamst just zur rechten Zeit, denn, wie Du siehst, bin ich eben mit meiner Toilette fertig geworden; allerdings kann ich Dir nur eine halbe Stunde schenken, die aber soll Dir auch ganz allein gehören.” Er schellte nach dem Diener und ließ Wein bringen. „So, und nun setz Dich hierher vor den Kamin und erzähle, wie es Dir ergangen ist in den fünf Jahren, denn erlebt hast Du doch sicher wieder viel Intressantes.” Salten setzte sich und sagte mit einem Anflug leichter Wehmut: „In unseren Jahren erlebt man nichts mehr, wenigstens nichts Interessantes.” „Oho, darüber denken ich doch ein wenig anders, mein lieber Kamerad.” „Täuschen wir uns nicht, Brenkendorff, wenn man wie wir, demnächst in die Sechzig einrückt, dann hört die Zeit der Ueberraschungen auf. Jung sein, heißt Einfluß ausüben, wir aber werden zu den alten Freunden gezählt, denen die Frauen ihre kleinen Geheimnisse anvertrauen; und das ist immer verdächtig, denn es besagt, daß man uns als Liebhaber nicht mehr für voll ansieht.” Brenkendorff zog die Stirn in leichte Falten; ihm wurde ein wenig unbehaglich, und mit leise erzitternder Stimme entgegnete er: „Du hast ja im großen und ganzen nicht so unrecht, aber es gibt doch wohl auch Ausnahmen.” Erstaunt und heiter sah ihn der andere an. „Bist Du eine solche Ausnahme?” fragte er belustigt. „Wenigstens bilde ich es mir ein,” rief der Hausherr, und im Ton seiner Stimme klang es leicht gereizt, als ob er sich verletzt fühlte. „Ja, jetzt sag mir um Gottes willen, was ich von Dir denken soll!” lachte Salten laut auf. „Hast Du denn Deine Jugend nicht ebenso ausgekostet wie ich es getan habe?” „Gewiß habe ich das.” „Nun also! Wer sein Leben in der Jugend genossen hat, der kann getrost anfangen alt zu werden, wenn die Zeit dazu da ist.” „Ach was! Man ist nur so alt, wie man sich fühlt, und ich fühle, daß ich noch zu schade bin, zum alten Eisen geworfen zu werden!” Schweigen. — Beide sehen sich einen Augenblick prüfend an. Dann meinte Salten ernst und wohlmeinend: „Lieber Brenkendorff, wenn mich nicht alles täuscht, bin ich gerade zur rechten Zeit zu Dir gekommen, denn ich fürchte, Du bist auf dem besten Wege, eine unüberlegte —” Hier unterbrach ihn der andere: „Lieber Karl, ich bitte, keine Moralpauke! — Das war von jeher Deine Schwäche. — Ich habe wohl alles überlegt, und mein Entschluß steht fest.” „Du willst Dich noch einmal verheiraten?” „Das will ich.” „Und darf ich erfahren, wer die Auserwählte Deines Herzens ist?” „Jutta Werdenfels ist es.” „Die Tochter des alten Majors?” „Ganz recht.” „Aber das Fräulein kann doch höchstens zwanzig oder einundzwanzig sein.” „Stimmt, sie ist genau einundzwanzig.” „Und Du wirst sechzig.” „Sehr taktvoll bist Du nicht, lieber Karl.” „Aber offen und ehrlich, weil ich es gut meine mit Dir! — In zehn Jahren bist Du ein Greis, und Deine Frau wäre dann in ihrem besten Alter. Hast Du daran auch gedacht?” Brenkendorff wollte eine kurze Antwort geben, denn er war gereizt, aber er besann sich, daß er sich nicht ärgern dürfe, damit ihm seine gute Laune für die Brautwerbung, die er jetzt vorhatte, nicht verdorben würde, und deshalb spielte er den heiteren Weltmann und Lebenskünstler, indem er lächelnd entgegnete: „Was Du da sagst, lieber Freund, ist alles ganz gut und schön, aber es paßt für den Durchschnittsmenschen, so einer bin ich nicht. Ich modele mir das Leben ganz nach meinem Geschmack, und ich habe gefunden, daß ich bisher nicht allzu schlecht dabei gefahren bin.” Salten zuckte die Achseln und sagte leichthin: „Wenn Du auf den wohlmeinenden Rat eines Freundes nichts gibst, gut, dann tu, was Du willst. Jedenfalls wünsche ich Dir alles Gute.” „Und das kannst Du auch, lieber Freund!” rief Brenkendorff nun voll Enthusiasmus, „denn Du ahnst ja nicht, wie ich bis über beide Ohren verliebt bin.” „Und nun sag mir eins noch — wird denn Deine Liebe auch wirklich erwidert?” „Aber gewiß mein Bester! Jutta ist so lieb und herzig zu mir, daß ich ein Herz von Stein haben müßte, um nicht weich zu werden! Sie verwöhnt mich geradezu durch all ihre kleinen Schmeicheleien und Aufmerksamkeiten.” Salen schüttelte bedächtig den Kopf: „Und was sagt Dein Sohn Egon dazu?” „Er wird sich mit der Tatsache abfinden müssen.” „Er bekommt eine Mutter, die jünger ist als er.” „Aber ich hänge doch nicht von meinem Sohne ab.” Wiederum zuckte Salten die Schultern: „Dann kann ich nur meinen Glückwunsch wiederholen.” „Herzlichen Dank!” Sie füllten die Gläser, stießen an und tranken auf eine hoffnungsvolle Zukunft. Da wurde geklopft. Dann trat der alte Diener ein und präsentierte eine Depesche, die eben angekommen war. Brenkendorff bekam wieder ein leises Unbehagen. „Was ist denn das nun wieder?” und mit zitternder Hand griff er nach dem Telegramm, riß es auf und durchflog den Inhalt. Im nächsten Augenblick ließ er das Papier sinken, preßte die Zähne zusammen und blickte starr vor sich hin — mit einem Schlage war alles vernichtet! — Dann knüllte er das Papier zusammen, warf es in den Papierkorb, stand auf und ging erregt auf und ab. Dumpfes Schweigen. Endlich fiel Brenkendorff in einen Sessel und preßte die Hände ans Gesicht. Da nahm Salten das Papier auf, glättete es und las: „Der Stammhalter ist angekommen. Alles wohl. Egon.” Und dann wieder Schweigen. Endlich steht Salten auf und geht zu dem Freund. Er berührt ganz leise dessen Schulter und sagt mit leiser, weicher Stimme: „Glaub mir, lieber Freund, es ist besser so. Dies Telegramm kommt wie durch eine Fügung des Himmels zur rechten Zeit, es bewahrt Dich und Euch alle vor so manchen herben Enttäuschungen.” Und Brendendorff schwieg, aber er fühlte, daß der Freund recht hatte. Und er ärgerte sich,daß er sich ihm so in seiner ganzen Blöße gezeigt hatte, aber dieser Aerger verflog bald. Zuletzt fing er sogar an, mit seiner neuen Würde als Großväterchen zu kokettieren. — — — |
Zur rechten Zeit.Eine lustige Geschichte von Paul Bliß Da der Sommer bisher sehr heiß gewesen war, so entschloß sich Frau Bertram, jetzt noch eine Erholungsreise zu machen; sie war Witwe, aber jung und stattlich; zwar hatte sie sich wieder verlobt, dennoch aber blieb sie eigene Herrin ihrer Entschlüsseund verlangte von ihrem Zukünftigen, daß er sich ihren Wünschen fügt. Und dieser Zukünftige war klug genug, der stattlichen und sehr wohlhabenden Braut vorerst in fast allen Dingen nachzugeben, denn er sagte sich: erst muß ich diese reiche, aber etwas zum Herrschen beanlagte Dame mein eigen nennen, dann erst kann ich mein wahres Gesichtb zeigen und den Herrn im Hause herauskehren. Als nun die junge Witwe ihrem Verlobten den Reiseplan kundgab, erwiderte Herr Waldemar lächelnd: „Aber natürlich, mein Schatz, reise getrost! Ein wenig Erholung kann dir nur dienlich sein!” Drei Tage später reiste Frau Bertram nach Thüringen. Natürlich war Herr Waldemar am Bahnhof und es gab ein überaus herzliches Abschiednehmen. Schon als der Zug zur Halle hinausgefahren war, stand der betrübte Bräutigam noch immer mit dem Taschentuche winkend da, und erst als die Entfernung zu groß wurde und er nichts mnehr sehen konnte, da verließ er den Perron; nun aber atmete er auf und dachte: nach einer so ergreifenden Rührung muß man sich doch ein wenig stärken! Und so ging er in die nächste Kneipe. Kaum hatte er an einem Tische sich niedergelassen, als ein alter Herr eintrat und sich — da nicht viel Platz nehr frei war — mit an seine Tisch setzte. Nach einigen Augenblicken bereits begann der alte Herr die Unterhaltung: „Sie haben wohl Ihrer Gattin soeben das Geleit gegeben, nicht wahr? Ich sah nämlich Ihren herzlichen Abschied.” „Nein, die dame ist meine verlobte,” antwortete Herr Waldemar ein wenig zurückhaltend. „Ah, pardon! Ich habe nämlich meine Frau begleitet, die auf vier Wochen nach Tabarz geht, und da glaubte ich, daß auch Sie ein so unglücklicher Strohwitwer seien!” Lächelnd meinte Herr Waldemar: „Nun, so halb bin ich es doch.” Worauf der Alte heiter das Glas ergriff, sich als Sernow vorstellte und rief: „Also, ich denke, wir stärken uns gemeinsam, um über das erste Leid der Trennungsstunden hinwegzukommen — Prosit!” Hell klangen die Gläser aneinander. Nach einem Weilchen sagte der Alte: „Wissen Sie, eigentlich ist so ein Strohwitwer doch nur zu bedauern.” Fragend sah der andere auf. „Nun ja, denn so lustig und beutegierig, wie man sich so einen freigelassenen Ehemann immer vorstellt, ist er gar nicht; im Gegenteil, während der Abwesenheit der Frau müssen sie manche ihrer Bequemlichkeiten opfern.” „Aber dafür haben sie doch auch so manche Freiheit, die ihnen im Beisein der Frau wohl nicht immer vergönnt wäre, ” rief Herr Waldemar lächelnd dazwischen. „Zugegeben, jawohl! Aber die Genüsse wiegen doch die Entbehrungen kaum auf, und wenn man erst in meine Jahre kommt, dann lernt man Ruhe und Bequemlichkeit schätzen.” „Ah, so alt hätte ich Sie nicht gehalten.” „Ich bin fünfundfünfzig.” „Nun, also in den besten Jahren.” „Die liegen hinter mir!” „Na, na, so schlimm wird es wohl nicht sein! Ihre Augen wenigstens blicken noch lustig genug drein.” heiter und klug sah der Alte ihn an, dann erwiderte er schmunzelnd: „Nun, wennschon ich alles Vorhergesagte aufrechterhalte, so bin ich deshalb noch kein sogenannter Trauerkloß.” „Sehen sie, das meine ich auch. Und zum Beweise dafür geben Sie mir die Ehre, jetzt noch eine Flasche mit mir zu trinken.” Schnell winkte Herr Waldemar den Kellner heran und schon in der nächsten Minute war die neue Flasche da. Der Wein löst die Zunge. So war es auch hier. Als man mitten im flotten Trinken war, meinte der Alte: „Na, und Sie werden sich nun die paar Wochen Freiheit wohl ordentlich zu Gemüte ziehen, nicht wahr?” Da lächelte Herr Waldemar ein wenig selbstgefällig und antwortete: „ Nun ja, wenn sich mir ein Blümchen bietet, pflücke ich es wohl! Warum auch nicht? Und trägt man erst den Ehering, dann hat's ja doch ein Ende!” Der Alte dah ihn an, nickte auch, dann hob er sein Glas und trank bedächtig aus. Bald darauf trennte man sich mit einem „Auf Wiedersehen!” * * * Die beiden Flaschen Rüdesheimer hatten genügt, den Trennungsschmerz Herrn Waldemars hinwegzuspülen. Schon am nächsten Tage zog er sich flott und elegant an, steckte eine Blume ins Knopfloch und den Verlobungsring in die Westentasche, und nun ging's los, nach dem bewußten „Blümchen”, das da einsam und versteckt irgendwo harrte, zu suchen. Mitten im Trubel des Zoologischen Gartens fand er ein liebreizendes junges Mädchen, dessen Augen ihn fesselten. Keck und fesch stieg er ihr nach. Die Kleine verließ sehr bald die dicht belebte große Allee und promenierte dann ganz einsam und allein durch mehrere Seitenwege, bis sie zu einer Bank am neuen Geflügelhaus kam, auf die sie sich setzte. Immer war Herr Waldemar der schlanken Gestalt gefolgt, und mit jedem Augenblick entzückte ihn die Kleine mehr und mehr, denn etwas so lieblich Graziöses hatte er seit langem nicht gesehen. Als er die Bank erreicht hatte, war er zum Angriff entschlossen. „Gestatten Sie, meine Gnädigste, daß ich hier Platz nehmen darf?” Mit höflichem Gruß trat er näher. Die Kleine sah ihn ein wenig erstaunt, aber mit neckischem Lächeln an, dann antwortete sie: „Bitte, ich habe hier nichts zu erlauben.” Und er setzte sich. Er sah sie an, unausgesetzt, bis sie ein kleines Buch herauszog und zu lesen anfing, um sich seinen Blicken zu entziehen. Endlich begann er: „Wenn gnädiges Fräulein hier jemand erwarten, bitte ich nur um eine Andeutung, ich verschwinde dann sofort.” Wieder sah sie ihn heiter an: „Sie stören mich durchaus nicht. Wenn aber Sie jemand hier erwarten, und ich also stören sollte, dann bitte, sagen Sie es nur, dann gehe ich à tempo.” „Um des Himmels willen, bleiben Sie, gnädiges Fräulein! Ihretwegen kam ich ja nur hierher!” rief er nun begeistert. „Meinetwegen?” „Ja, meine Gnädigste, Sie haben es mir angetan! Ich bete Sie an!” Nun lachte sie laut auf. „Ich kam, ich sah, ich siegte! — So was ist mir selbst in Berlin noch nicht passiert! — Wollen Sie mich gleich entführen? Oder wollen Sie erst mit meinem Vater sprechen?” Ihre burschikose heiterkeit machte ihn einen Augenblick sprachlos. Endlich sammelte er sich und begann den Angriff: „Sie glauben meinen Worten nicht, mein gnädiges Fräulein?” „Nein!” lachte sie herzlich auf. „Und warum nicht?” „Weil Sie ja schon verlobt sind! Da an Ihrer linken Hand sehe ich ja die Spur des Ringes, den Sie vermutlich in der Westentasche haben werden.” Verblüfft sah er erst den Ringfinger, dann das junge Mädchen an, dann stotterte er ein paar Worte hervor, die nicht genau zu verstehen waren. Das kleine Fräulein aber sprach nun mit erhobener Stimme: „Ja, wenn Sie aber wirklich verlobt sind, wie können Sie sich dann erlauben, mir derartige Sachen zu sagen? Für was haben Sie mich denn gehalten?” Nun schwand ihm das letzte Restchen von Geistesgegenwart, er stotterte wieder etwas Unverständliches und wollte sich so schnell als möglich empfehlen. Aber sieh, da kam — wie zufällig — ein Herr des Weges daher, und dieser Herr war — Sernow, der alte Bekannte aus der Weinkneipe. Und da jubelte die Kleine auf: „Ach, Papachen, du kommst gerade zur rechten Zeit — dieser Herr hat mir eben einen regelrechten Liebesantrag gemacht!” Die Herren erkannten sich sofort. Und während der Alte lächelnd drohte, empfahl sich Herr Waldemar unter erneuten Entschuldigungen. Gar nicht schnell genug konnte er jetzt fortkommen. * * * Am andern Tage, ganz unerwartet, war Frau Bertram wieder da. Herr Waldemar war direkt sprachlos. Sie aber tat ganz selbstverständlich — sie hatte eben einfach ihre Reise abgekürzt — und damit basta. — Nun war sie da und damit war es gut. Schweigend stand Herr Waldemar da und suchte sich darein zu finden. Plötzlich aber drängte die Braut zu7r Hochzeit. Wieder war Herr Waldemar einigermaßen erstaunt über diese seltsame Eile. Doch schon vier Wochen später stand das Paar vor dem Altar. Die Gattin fand eben, daß es doch besser sei, wenn ein Mann sich nicht so viel selbst überlassen bleibt. * * * Viel, sehr viel später erfuhr Herr Waldemar dann eines Tages, daß die Familie Sernow seit Jahren mit seiner lieben Gattin befreundet war, und daß die vorsichtige Frau Bertram damals Herrn Sernow gebeten hatte, ihren Verlobten ein wenig zu beaufsichtigen, während sie verreist war. Als Herr Waldemar dies nun hörte, lächelte er still und dachte: es hilft nichts — sie ist dir auch darin überlegen! — — — Und er fand sich in sein Schicksal. — — — |
Zur rechten Zeit.Skizze von Paul Bliß Lächelnd trat der Gast ein. „Guten Tag, Brenkendorff!” rief er dem Freund zu und streckte ihm beide Hände hin. „Ah, ah! Mein lieber alter Salten! Na, das ist aber eine wirkliche Ueberraschung! Komm näher, mein Kerlchen! Na, wie geht's denn? Du siehst ja förmlich strahlend aus!” „ Und Du nicht minder. Donnerwetter, Du bist ja in großer Toilette! Da störe ich wohl, was?” Brenkendorff lächelte befriedigt. „Du störst nicht, lieber Freund, Du kamst just zur rechten Zeit, denn, wie Du siehst, bin ich eben mit meiner Toilette fertig geworden; allerdings kann ich Dir nur eine halbe Stunde schenken, die aber soll Dir auch ganz allein gehören. So, und nun erzähle, wie es Dir ergangen ist in den fünf Jahren, denn erlebt hast Du doch sicher wieder viel Interessantes.” Salten setzte sich und sagte mit einem Anflug leichter Wehmut: „In unseren Jahren erlebt man nichts mehr, wenigstens nichts Interessantes.” „Oho! Darüber denken ich doch ein wenig anders, mein lieber Kamerad.” „Täuschen wir uns nicht, Brenkendorff, wenn man wie wir, demnächst in die Sechzig einrückt, dann hört die Zeit der Ueberraschungen auf. Jung sein, heißt Einfluß ausüben; wir aber werden zu den guten alten Freunden gezählt, denen die Frauen ihre kleinen Geheimnisse anvertrauen. Und das ist immer verdächtig, denn es besagt, daß man uns als Liebhaber nicht mehr für voll ansieht.” Brenkendorff zog die Stirn in leichte Falten. Ihm wurde es ein wenig unbehaglich, und mit leise erzitternder Stimme entgegnete er: „Du hast ja im großen und ganzen nicht so unrecht; aber es gibt doch wohl auch Ausnahmen.” Erstaunt und heiter sah ihn der andere an. „Bist Du eine solche Ausnahme?” fragte er belustigt. „Wenigstens bilde ich es mir ein!” rief der Hausherr, und im Ton seiner Stimme klang es leicht gereizt, als ob er sich verletzt fühlte. „Ja, jetzt sage mir um Gottes willen, was ich von dir denken soll!” lachte Salten laut auf. „Hast Du denn deine Jugend nicht ebenso ausgekostet, wie ich es getan habe?” „Gewiß habe ich das.” „Nun also! Wer sein Leben in der Jugend genossen hat, der kann getrost anfangen, alt zu werden, wenn die Zeit dazu da ist.” „Aber meine Zeit ist eben noch nicht da! Ich fühle mich durchaus nicht alt! Und hast du nicht eben selber gesagt, ich sähe vortrefflich aus?” „Gewiß habe ich das getan! Und für dein Alter siehst du auch sehr gut aus. Das alles aber macht dich nicht jünger, als du in Wirklichkeit bist.” „Ach was! Man ist nur so alt, wie man sich fühlt. Und ich fühle, daß ich noch zu schade bin, zum alten Eisen geworfen zu werden!” Schweigen. — Beide sahen sich einen Augenblick prüfend an. Dann meinte Salten ernst und wohlmeinend: „Lieber Brenkendorff, wenn mich nicht alles täuscht, bin ich gerade zur rechten Zeit zu dir gekommen, denn ich fürchte, du bist auf dem besten Wege, eine unüberlegte —” Hier unterbrach ihn der andere: „Lieber Karl, ich bitte, keine Moralpauke! — Das war von jeher deine Schwäche. — Ich habe alles wohl überlegt, und mein Entschluß steht fest.” „Du willst dich noch einmal verheiraten?” „Das will ich!” „Und darf ich erfahren, wer die Auserwählte Deines Herzens ist?” „Jutta Werdenfels ist es.” „Die Tochter des alten Majors?” „Ganz recht.” „Aber das Fräulein kann doch höchstens zwanzig oder einundzwanzig sein.” „Stimmt; sie ist genau einundzwanzig.” „Und Du wirst sechzig.” „Sehr taktvoll bist Du nicht, lieber Karl.” „Aber offen und ehrlich, weil ich es gut meine mit dir! — In zehn Jahren bist du ein Greis, und deine Frau wäre dann in ihrem besten Alter. Hast du daran auch gedacht?” Brenkendorff wollte eine kurze Antwort geben, denn er war gereizt, aber er besann sich, daß er sich nicht ärgern dürfe, damit ihm seine gute Laune für die Brautwerbung, die er jetzt vorhatte, nicht verdorben würde, und deshalb spielte er den heiteren Weltmann und Lebenskünstler, indem er lächelnd entgegnete: „Was du da sagst, lieber Freund, ist alles ganz gut und schön, aber es paßt für den Durchschnittsmenschen: so einer bin ich nicht. Ich modle mir das Leben ganz nach meinem eigenen Geschmack, und ich habe gefunden, daß ich bisher nicht allzu schlecht dabei gefahren bin.” Salten zuckte die Achseln und sagte leichthin: „Wenn du auf den wohlmeinenden Rat eines Freundes nichts gibst, gut, dann tu, was Du willst. Jedenfalls wünsche ich Dir alles Gute.” „Und das kannst du auch, lieber Freund!” rief Brenkendorff nun voll Enthusiasmus, „denn du ahnst ja nicht, wie ich bis über beide Ohren verliebt bin.” „Und nun sag mir eins noch — wird denn deine Liebe auch wirklich erwidert?” „Aber gewiß mein Bester! Jutta ist so lieb und herzig zu mir, daß ich ein Herz von Stein haben müßte, um nicht weich zu werden! Sie verwöhnt mich geradezu durch all ihre kleinen Schmeicheleien und Aufmerksamkeiten.” Salen schüttelte bedächtig den Kopf: „Und was sagt dein Sohn Egon dazu?” „Er wird sich mit der Tatsache abfinden müssen.” „Er bekommt eine Mutter, die jünger ist als er.” „Aber ich hänge doch nicht von meinem Sohn ab.” Wiederum zuckte Salten die Schultern: „Dann kann ich nur meinen Glückwunsch wiederholen.” „Herzlichen Dank!” Sie füllten die Gläser, stießen an und tranken auf eine hoffnungsvolle Zukunft. Da wurde geklopft. Dann trat der alte Diener ein und brachte eine Depesche, die eben angekommen war. Brenkendorff bekam wieder ein leises Unbehagen. „Was ist denn das nun wieder?” und mit zitternder Hand griff er nach dem Telegramm, riß es auf und durchflog den Inhalt. Im nächsten Augenblick ließ er das Papier sinken, preßte die Zähne zusammen und blickte vor sich hin. Dann knüllte er das Papier zusammen, warf es in den Papierkorb, stand auf und ging erregt auf und ab. Dumpfes Schweigen. Endlich fiel Brenkendorff in einen Sessel und preßte die Hände ans Gesicht. Da nahm Salten das Papier auf, glättete es und las: „Der Stammhalter ist angekommen. Alles wohl. Egon.” Und dann wieder Schweigen. Endlich steht Salten auf und geht zu dem Freund. Er berührt ganz leise dessen Schulter und sagt mit weicher Stimme: „Glaub mir, lieber Freund, es ist besser so. Dies Telegramm kommt wie durch eine Fügung des Himmels zur rechten Zeit, es bewahrt dich und euch alle vor so manchen herben Enttäuschungen.” Und Brenkendorff schwieg, aber er fühlte es, daß der Freund recht hatte. Jetzt eben erst war er aufgeweckt durch diese Depesche — so lange war er blind im glücklichen Taumel umhergegangen — nun aber war mit einem Male der Schleier von allem heruntergerisse — jetzt fühlte er es, daß er ein alter Mann war. Und nun versank mit einem Schlage das ganze stolze Gebäude seiner Hoffnungen- Jetzt war alles aus, grau und trostlos lag die Zukunft vor ihm, und nur ganz in der Ferne dämmerte ein Sonnenscheinchen auf: die Freude, daß nun ein Stammhalter da war. Später erst hat er sich dann in sein unabänderliches Schicksal gefunden. Da aber sah er eines Tages ein, daß sein alter Freund damals nur zu recht gehabt hatte, als er ihn warnte, denn jetzt erst machte er die Erfahruzng, daß Fräulein Jutte nicht ihn, sondern seinen Neffen Herbert liebte. Dieser Herbert war sein Mündel. Und das war also der Grund gewesen, warum das kleine Fräulein den alten Herrn so hofiert hatte: sie wollte ihm die Zustimmung zu der Verbindung mit Herbert abschmeicheln — und er dummer, alter, täppischer Greis hatte sich einbilden können, daß das junge Kind ihm seine Liebe nicht vberraten wollte! Einen regelrechten Narren schalt er sich nun. Er ärgerte sich eine Weile, daß er sich seinem alten Freund so in seiner ganzen Blöße gezeigt hatte, aber dieser Aerger verflog bald, denn schließlich siegte der Humor. Und nun lachte er selber am meisten über seine verspäteten Anwandlungen. — — — |
Zur rechten Zeit.Novellette von Paul Bliß Das Diner war beendet, als Herr Berent mich beim Arm nahm und sprach: „Kommen Sie, ich weiß hier im Hause ein stilles Plätzchen, wo wir ungestört ein wenig plaudern können.” Lächelnd legte ich meinen Arm in den des alten Herrn und ließ mich fortführen. „Sie müssen nämlich wissen,” sprach Herr Berent weiter, „daß es mir ein Bedürfnis ist, nach so einer langen Sitzung mich ein wenig in die Einsamkeit zu flüchten. Unser vortrefflicher Wirt weiß das längst, und so finde ich hier mein trauliches Plaudereckchen immer für mich reserviert.” Wir waren inzwischen durch Salon und Wohnzimmer gegangen und befanden uns nun in einem lauschig kleinen Raum, dessen Balkon auf den stillen Park führte. Es war in der Tat ein reizender Winkel und ganz geschaffen zum Träumen. Ich sah auf den alten Herrn, der träumend den blauen Rauchringen seiner Zigarre nachblickte, und während ich diesen edel geformten Kopf mit dem weißen, leicht gewellten Haar und dem milden Lächeln überlegener Weltweisheit prüfend anschaute, kam mir plötzlich der Gedanke: warum ist dieser Mann wohl ledig geblieben? Drinnen im Musikzimmer wurde jetzt Schuberts „Lindenbaum” gesungen. Ganz deutlich hörten wir diese schönen, schlichten Töne und lauschten aufs riefste ergriffen. Als der Vortrag zu Ende war, wiederholte der alte Herr wie im Traume des Liedes letzte Zeile: „Und immer hör' ich's rauschen: du fändest Ruhe dort!” Dann Schweigen, wohl eine Minute lang. Nichts regte sich. Nur der laue Frühlingswind umwehte uns kosend, und tausend kräftige Düfte wehte er uns entgegen, Hoffnungen und Illusionen, und Gedankien an eine Reihe sonnenheller kraftfroher Sommertage voll Glück und Lebensfreude. Plötzlich sagte der alte Herr, indem er mich mit mildem Lächeln anschaute: „Warum sehen Sie mich so fragtend an?” Ich wurde rot und schwieg verlegen. Er aber sprach weiter mit stiller Freude: „Ich merkte es wohl, obgleich ich Sie nicht ansah. Also frei heraus! Was wollen Sie wissen?” Ich wurde nur noch mehr verlegen und stammelte ein paar entschuldigende Worte. Da sprach der alte Herr freundlich: „Nun, ich will Ihnen die Sache leichter machen, junger Freund. Schon viele meiner Bekannten sahen mich oft mit Blicken an, die fragen mochten, warum ich nicht geheiratet habe, wie Sie es eben auch taten?” Lächelnd sah er mich an. „Stimmt es?” fragte er, „das dachten doch auch Sie eben, nicht wahr?” Leicht errötend nickte ich. Er lächelte, zuckte mit den Schultern und trommelte mit den weißen Fingern auf das Blech der Balkoneinfassung. Dann sagte er: „Ist es denn wirklich so rätselhaft, wenn ein Mann heutzutage ledig bleibt?” Nun bekam ich wieder Mut. „Die Frage verallgemeinert — nein —; denn die Lust zum Heiraten nimmt ja in erschreckender Weise ab, hier aber in diesem besonderen Fall scheint man doch wirklich vor einem Rätsel zu stehen.” Er nickte mit wehmütigem Lächeln. Und ich sprach weiter: „Soweit ich Sie kenne, lieber Herr Berent, und ich einen Einblick in ihre Verhältnisse gewinnen konnte, darf ich wohl sagen, daß doch alle Möglichkeiten für eine glückliche Ehe gegeben waren.” Da ermannte er sich und begann: „Nun, ich habe über die Geschichte seit Jahrzehnten nicht gesprochen, soviel auch meine Bekannten fragen mochten, aber heute, zu Ihnen, will ich einmal sprechen. Ich weiß ja, daß Sie immer auf der Suche nach neuen Stoffen sind. So will ich's Ihnen denn zu Nutz und Frommen erzählen. Also: Sie kennen m ich als einen reichen Mann. Ich bin nahezu sechzig Jahr. Aber es gab eine Zeit, freilich liegen Jahrzehnte dazwischen, da war ich ein armer Teufel. Damals war ich fünfundzwanzig und ein junger Kommis mit einem kargen Gehalt. Aber ich war glücklich und zufrieden, denn vor mir lag ja noch eine Zukunft voll von hundert goldenen Hoffnungen, und ich war kräftig und gesund. Eines Tages, es war im Frühling, kam die einzige Tochter meines Chefs aus einem Schweizer Pensionat zurück. Sie war neunzehn Jahr und ein Bild prangender Jugendschönheit. Als ich sie zum ersten Male sah, fühlte ich mein Herz ungestüm pochen. Ich bwar wie gebannt und mußte sie unausgesetzt ansehen. Wenn ich mit ihr sprach, war ich ganz verwirrt. Als ich an diesem Abend allein in meiner Stube saß, wußte ich, daß ich sie liebte. Ich hätte jauchzen können vor Jubel und Glück. Von der Zeit an sah ich sie nun fast jeden Tag, denn ich hatte Verkehr in der Familie meines Chefs, und mit jedem Tage empfand ich es klarer, daß mein Herz dem schönen blonden Mädchen gehörte. Auch sie wurde bald zutraulich, und wir wurden gute Freunde. Nie aber verriet ich mit Blick oder Wort meine Gefühle. Das wundert Sie? Ja, junger Freund, ich war ein armer Teufel, in der bittersten Not und Entbehrung war ich groß geworden, und das, wissen Sie, das macht uns Menschen bescheiden und demütig und lastet immer wie Fesseln an uns, so daß wir Armen nie so recht den Mut haben, mit vollster Lust zuzugreifen, wenn auch uns das Glück einmal lächelt. Sie war die einzige Tochter eines reichen Mannes, und ich war ein armer Schlucker, der nichts hatte als ein liebevolles Herz und — vielleicht eine gute Zukunft. Ich wagte also gar nicht, ernsthaft daran zu denken, daß meine Pläne sich jue verwirklichen könnten. Nun, ich will mich kurz fassen. Ein Jahr darauf heiratete sie den erben einer Million. Ich war auch zu der Feier geladen. O, ich ertrug alles mit einer erstaunlichen Ruhe. Niemand ahnte, was ich innerlich litt. Für alle hatte ich ein freundliches Lächeln. Und erst abends, als ich wieder allein war in meiner öden Einsamkeit, da erst überkam der ganze Schauer mich, da erst sank ich zusammen wie vernichtet, und da warf ich mich aufs Bett und preßte das heiße Gesicht hinein und schluchzte im wilden Schmerz. Aber du lieber Gott, so ein armes Herz kann viel ertragen. Ich kam auch darüber fort. Doch an jenem Abend leistete ich mir einen Eid. Ich mußte Geld schaffen, ich mußte reich werden. Ich hatte ja gesehen, wie das geld alles regiert, alles meistert. Auch ich wollte erst dastehen als unabhängiger Mann. Nun, ich hbe mir das Wort gehalten. Ich habe mit zehnfacher Kraft und Energie gearbeitet, bis ich endlich emporkam. Als ich vierzig Jahre alt war, begann mein Haar bereits zu erbleichen, und in mein Gesicht hatte das Leben seine Spuren kräftig eingemeißelt, aber ich war nun ein wohlhabender Mann. ich war vierzig Jahre und noch immer einsam. Sie fragen, warum? Ganz einfach, junger Freund, ein hatte gar keine Zeit gehabt, mich zu verlieben. Mein so arbeitsreiches Leben hatte alle meine Kräfte und Interessen in Anspruch genommen, so daß ich es in der Tat gar nicht merkte, wie ich nach und nach zu altern begann. Und dann — so sonderbar es auch klingen mag — hatten die jungen Mädchen mich als Heiratskandidaten eigentlich nie angesehen. ich hatte immer so etwas Stilles und Verschlossenes in meinem Wesen, daß jedes Mädchen mir auswich, oder wenn ich mal eine Bekanntschaft machte, dann wurde immer nur Freundschaft daraus, und schließlich kamen die Frauen und machten mich zu ihrem Vertrauten; einen älteren erfahrenen Freund sahen sie in mir, aber keinen Liebhaber. Aber da kam eines Tages noch einmal der Sonnenstrahl des Glücks auf mein alterndes Haupt. Ich war bereits sechsundvierzig Jahre, als ich mich noch einmal mit Jünglingsglut verliebte.” Der alte Herr machte eine Pause und sah einen Augenblick hinaus in die Frühlingslandschaft, die jetzt in leise Dämmerung gehüllt dalag. Wie träumend ruhte sein mildes Auge auf dem letzten Rest der Abendsonne, der die Spitzen der Bäume vergoldete, dann sprach er mit leiser, gleichsam verschleierter Stimme weiter: „Es war einer von diesen Frühlings-Regentagen, als ich das junge Mädchen zum erstenmal sah, Es bwar, als ob mir plötzlich eine neue Sonne aufgegangen wäre, ich sah alles ringsherum in einem strahlenden Licht, ich war wie geblendet von dieser Fülle jugendstolzer Schönheit. Der Vater dieses Kindes war ein Geschäftsfreund von mir, und als er merkte, daß ich mich für seine Tochter interessiere, nahm er jede nur mögliche Gelegenheit wahr, uns zusammenzubringen. Nun, es gelang ihm dies bald. Nach wenigen Wochenhatte ich mich dermaßen in das schöne Kind verliebt, daß es kein zurück mehr für mich gab, alle Liebe und Leidenschaft, die so lange in meiner Brust geschlummert hatte, erwachte nun, wie durch einen Zauberschlag erweckt, und belebte mich mit neuer Jugendkraft. Ich hielt um die Hand des jungen Mädchens an. Die Eltern sagten mir ein erfreutes Ja, denn ich war eine gute Partie, und die Kleine selbst sagte errötend auch Ja. Sie zitterte dabei und war auch verlegen, aber ich glaubte, daß dies jungfräuliche Scham sei. So verlobten wir uns. Qualvolle Wochen vergingen für mich. Jeden Tag sah ich meine Braut, und mit jedem Tage wurde ich verliebter. Schließlich lief ich umher wie ein Blinder, der nur noch Augen für sie hatte. Ich überhäufte sie mit Aufmerksamkeiten und Geschenken, die sie alle mit der gleichen leise zurückhaltenden Liebenswürdigkeit aufnahm. Da eines Tages passierte mir etwas Sonderbares. ich war mit einigen Freunden zusammen, die mir und meiner Braut zu Ehren ein kleines Fest gaben. Ich war heiterer denn je, ausgelassen vor Freude und Glück, und so trank ich denn mehr, als ich vertragen konnte, bis ich beinahe so etwas wie einen kleinen Rausch hatte. Erst als es zu spät war, merkte ich es. Plötzlich sah ich das entsetzte Auge meiner Braut auf mir ruhen. Sie hatte meinen Zustand erkannt. Und nun gewahrte ich, wie sie einem jungen Ingenieur heimlich zunickte, um ihn auf meinen Zustand aufmerksam zu machen, — und in diesem halben Blick von ihr las ich alles. Das traf mich wie ein Schlag. Plötzlich war ich sehend geworden. So lange war ich mit blind verliebten Augen herumgelaufen, nun im Rausch lernte ic mit einmal nüchtern zu sehen — gerade noch zur rechten Zeit. Am nächsten Tage hatte ich mit meiner Braut eine lange ernste Unterredung. Ich sprach zu ihr, nicht wie ein Bräutigam, der sich verraten glaubt, sondern wie ein guter, alter Freund, denn ich wuß0te jetzt, daß das Kind mich nie geliebt hatte. Unter Schluchzen gestand sie mir denn auch, daß sie den jungen Ingenieur schon immer geliebt habe, daß aber ihre Eltern dagegen wären, weil er arm und noch keine genügende Position habe, um einen hausstand zu begründen. Noch an demselben Tage löste ich unsere Verlobung auf und fuhr nach dem Süden. Als ich dann ein Jahr später zurückkam, waren die jungen Liebesleute vereint. Er hatte durch meine Befürwortung eine gute Anstellung in meinen Eisenwerken bekommen. Sehen Sie, so blieb ich ledig.” Der alte Herr schwieg und sah mit wehmütigem Lächeln wie träumend hinaus in die Frühlingsnacht. — — — |
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